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Gestern startete die Sommersession. Ab jetzt gilt: Politik ist ein Hochleistungssport. Drei Wochen lang diskutieren Parlamentarier:innen über wichtige Gesetzesänderungen. Für erste Schlagzeilen sorgt die Debatte um die SRG Halbierungsinitiative.
Und das erwartet dich ebenfalls in diesem Briefing: Wie geht es weiter nach dem Bergsturz in Blatten? Politiker:innen sind sich darüber uneinig.
Bern · Bundeshaus
Marathondebatte zur SRG-Initiative
Zum Auftakt der dreiwöchigen Sommersession sorgte gestern die Debatte um die SRG «Halbierungsinitiative» für erste Emotionen. Dabei war von Anfang an klar: das wird eine längere Geschichte. Denn wie das SRF berichtet, hatten sich ganze 76 Nationalrät:innen im Vorfeld auf die Rednerliste eingetragen.
«Die Folge wäre ein reiner Sparbetrieb, nicht ein effizienter, sondern ein amputierter Service public.»
Gemäss der von der SVP und FDP lancierten Initiative sollten die Gebühren für Radio und Fernsehen von 335 auf 200 Franken gesenkt werden. Sowohl die Ständeratskommission als auch der Bundesrat sind dagegen und lehnen auch einen indirekten Gegenvorschlag ab.

Gegen den Angriff auf die SRG: Das Schweizer Syndikat Medienschaffender am Montag vor dem Bundeshaus. (Foto: SSM/zVg, David Fürst)
Von Mitte bis Links kam scharfe Kritik. Eine geschwächte SRG schwäche auch die Informationssouveränität der Schweiz. Die Initiative sei ein regelrechter «Frontalangriff» auf eine vielfältige und robuste Medienlandschaft, so der SP Nationalrat Jon Pult. Auch Kommissionsmitglied und Mitte Nationalrat Martin Candinas mahnte: «Die Folge wäre ein reiner Sparbetrieb, nicht ein effizienter, sondern ein amputierter Service public.»
Die SVP argumentierte demgegenüber, es gehe ihr um eine Fokussierung und Effizienzsteigerung der SRG auf ihren Kernauftrag. Auch solle dadurch Konkurrenz mit privaten Medienhäusern reduziert werden.
Die Republik sieht in solchen Angriffen auf die öffentlich-rechtlichen Medien eine von rechten Kräften bereits erprobte Strategie, die Medienlandschaft zu ihren Gunsten politisch zu vereinnahmen.
Forschungen widersprechen zudem der Annahme, die SRG konkurrenziere mit den privaten Angeboten: Eine kürzlich erschienene Studie konnte zeigen, dass sich das Online-Newsangebot der SRG nicht negativ auf die Digitalabonnements privater Medien auswirke. Im Gegenteil hänge die Nutzung von SRF News, Nachrichteninteresse und Medienvertrauen positiv mit einer erhöhten Zahlungsbereitschaft zusammen.
Nächste Woche wird die Debatte weiter geführt. Definitiv über die Sache entscheiden werden aber Volk und Stände.
Diese wichtigen Geschäfte werden in den kommenden Tagen ebenfalls diskutiert:
«Klimafondsinitiative»
«Neutralitätsinitiative»
Die neuen EU-Verträge
Erleichterte Rüstungsexporte
Bergsturz in Blatten
Was geschieht nach der Katastrophe?
Der katastrophale Bergsturz in Blatten hat in der Zwischenzeit viele Fragen ökologischer, ethischer und politischer Natur aufgeworfen:
Investiert die Schweiz zu wenig in den Katastrophenschutz?
War der Bergsturz eine direkte Folge des von Menschen gemachten Klimawandels?
Soll Blatten wieder vollständig aufgebaut werden? Und falls ja, mit welchem Geld?
Wie sieht die Zukunft der Schweizer Alpentäler aus?
Für alle diese Fragen gibt es keine einfachen Antworten. Ob nun der Klimawandel eine direkte Ursache für den Bergsturz war oder nicht, er stellt in Zukunft viele Alpentäler vor grosse Herausforderungen. Dennoch finden die meisten Stimmen: das Leben in den Alpen ist ein fundamentaler Bestandteil der Schweiz - kulturell und ökonomisch.
In einem Interview mit der NZZ, findet Boris Previšić, Direktor des Instituts für Kulturen der Alpen, man müsse das Leben in den Bergen neu denken.
Gemäss dem Walliser Grünen Nationalrat Christophe Clivaz sollten die Prioritäten des Bundes nun klar sein: «Die Folgen des Klimawandels werden für viele Bergdörfer in Zukunft zur existenziellen Frage. Es braucht mehr Mittel, um dem Klimawandel entgegenzuwirken.» Denn das Risiko von Umweltkatastrophen steige in Zukunft. Darüber berichtet Watson.
Konkret schlägt er vor, Gelder aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) für den Wiederaufbau des Strassennetzes in der betroffenen Bergsturzregion einzusetzen. Nachdem die Bevölkerung sich vor einigen Monaten gegen den Autobahnausbau entschieden hatte, wisse man auch, dass sich im NAF viel Geld befinde.
Die SVP möchte hingegen einen anderen Geldtopf für den Wiederaufbau von Blatten anzapfen: Der SVP Parteipräsident Marcel Dittling fordert, die Hälfte der Schweizer Entwicklungshilfe einzufrieren, bis jeder Grundeigentümer von Blatten entschädigt sei.
Jenische in der Schweiz
Zitat des Tages
«Jeder Marktfahrer, jeder Velofahrer, jeder Oldtimer-Fahrer, alle zusammen sind Fahrende. Das hat doch nichts mit uns zu tun. Wir sind nicht Fahrende, wir Jenischen sind Zigeuner!»
Zugegeben, als ich über dieses Zitat im Blick gestossen bin, war ich ziemlich überrascht. Denn das Wort «Zigeuner» kenne ich eher als Schimpfwort. Heute gelten «Jenische», wie «Sinti», «Roma» oder eben «Fahrende» als politisch korrekte Bezeichnungen für nicht sesshafte Völker, die lange Zeit verfolgt wurden.
Als Präsident des Zigeuner-Kultur-Zentrums möchte Alfred Werro der sesshaften Bevölkerung die jenische Kultur näher bringen. Umso wichtiger sei es ihm, diesen historisch vorbelasteten Begriff wieder anzueignen und ihm eine positiv, jenisch geprägte Bedeutung zu geben. Dabei gehe es auch darum, anzuerkennen, dass die systematische Ermordung und Vertreibung der Jenischen Teil seiner Geschichte sei. Diese Erfahrung könne man nicht einfach ausradieren.
Auch wenn sich die Situation für die Jenischen in der Schweiz seit 1995 merklich verbessert habe, sei es nach wie vor schwierig. Viele Stellplätze seien ungeeignet und würden rund um die Uhr überwacht. Dabei lebe gerade die jenische Kultur von der Freiheit, zu kommen und zu gehen, wann und wie man wolle.
Kurz-News
Referenzzinssatz bleibt unverändert · Am Montag hat das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) bekanntgegeben, dass der hypothekarische Referenzzinssatz unverändert bei 1.5 Prozent bleibt. Für Mieter:innen ändert sich also bis auf weiteres nichts an der mietrechtlich relevanten Zinssituation, wie die Finanz und Wirtschaft berichtet.
Zürcher Kantonalbank und Medienschaffende · Jüngst wollte die Zürcher Kantonalbank Journalist:innen mit einer «Einverständniserklärung» dazu verpflichten, sich an ihre kommunikativen Vorgaben zu halten. Nach starker Kritik von Medienschaffenden machte die Bank jedoch am Montag von ihrer Forderung einen Rückzieher, wie in der NZZ zu lesen ist.
Zollverhandlungen mit den USA · Am Montagabend informierte Wirtschaftsminister Guy Parmelin die aussenpolitischen Kommissionen des National- und Ständerats über das Verhandlungsmandat mit den USA. Beide unterstützen den Kurs des Bundesrates, heisst es in der NZZ. Der SPler Fabian Molina äusserte aber auch Kritik: Statt Konzessionen einzugehen, sollte sich die Schweiz mit der EU koordinieren und bei der Welthandelsorganisation gegen die USA klagen. Darüber berichtet die NZZ.
Schweizer Hochschulen rutschen ab · Während die ETH in einem weltweiten Ranking weiterhin eine Spitzenpositionen innehält, rutscht die Mehrheit der Schweizer Hochschulen ab. Expert:innen warnen davor, dass aufgrund mangelnder staatlicher Unterstützung die Forschungsleistung sinke. Das berichtet der Tages-Anzeiger.
Zürch FDP-Politikerin Vreni Spoerry ist tot · Die Zürcher FDP-Politkerin Vreni Spoerry ist am 29. Mai im Alter von 87 Jahren gestorben. Sie war während 20 Jahren als National- und Ständerätin in der Finanzpolitik sehr einflussreich. Lange galt sie als mächtigste Wirtschaftsfrau der Schweiz, wie das SRF schreibt.
Abschlussbericht zur Zugentgleisung im Gotthardtunnel · Der Abschlussbericht zur Entgleisung eines Güterzuges im Gotthard-Basistunnel liegt nun vor. Das gab der Bund in einer Medienmitteilung bekannt. Grund für die Entgleisung war gemäss Bericht ein Bruch in der Radscheibe des rechten Rads.
Extreme Klimaereignisse
Nützliches des Tages
Der Klimawandel ist eine unleugbare Tatsache. Gleichzeitig gelingt es uns als Gesellschaft oft nicht, die nötigen Konsequenzen aus dieser Einsicht zu ziehen.
Diesem Widerspruch geht eine Veranstaltung des Collegium Helveticums in Zürich nach.
Wie können wir die Auswirkungen extremer Wetterereignisse auf die Gesellschaft besser verstehen und wirksamen Klimaschutz anstossen?
In einer Podiumsdiskussion bringen Expertinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen ihr Wissen ein, um die Schnittstellen von Journalismus, Kunst und Wissenschaft zu beleuchten. Dabei diskutieren sie, wie diese zusammen uns helfen können, als Gesellschaft diesen Herausforderungen extremer Wetterereignisse zu begegnen.
Die Veranstaltung ist auf Englisch und findet heute Abend um 17 Uhr statt. Keine Anmeldung erforderlich. Weitere Infos dazu findest du hier.
Machs guet!
Jonas

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