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Kantonaler Mindestlohn oder Gesamtarbeitsvertrag? Diese Frage stellte gestern die Welt auf den Kopf – zumindest im Parlament. Während Bürgerliche und Rechtsparteien sich für die Sozialpartnerschaft starkmachten, pochten Linke auf Föderalismus und Volkssouveränität. Im Raum stand etwas Grundsätzliches: Was heisst ein gerechter Lohn?
Lohnschutz
Nationalrat gibt Gesamtarbeitsverträgen Vorrang
Bürgerliche werben für eine Sozialpartnerschaft und die Linke stemmt sich dagegen? Und das noch im Namen der Souveränität der Kantone?
Das bedarf einer kurzen Erklärung.
Aus linker Sicht sind Gesamtarbeitsverträge (GAV) natürlich eine gute Sache. Sie beruhen auf Abmachungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden – den sogenannten Sozialpartnern – und legen branchenspezifische Mindestlöhne fest.
Historisch gesehen führten sie für Arbeitnehmende zu besseren Anstellungsbedingungen. Und sie tun es grundsätzlich auch jetzt noch.
Aber: Weil das Leben besonders in den Städten viel teurer ist, wurde in einigen Kantonen per Volksabstimmung ein Mindestlohn festgelegt, der höher ist als derjenige des GAV. Das ist bislang in Genf und Neuenburg der Fall. Auch in anderen Kantonen gab es ähnliche Vorstösse.
«Das ist ein Angriff auf die Verfassung.»
Gestern beschloss nun eine bürgerliche Mehrheit im Nationalrat, dass künftig diese kantonalen Mindestlöhne keinen Vorrang gegenüber den Gesamtarbeitsverträgen mehr haben sollen.
Staatspolitisch ist das eine heikle Sache, wie die NZZ bemerkt. Denn Gesamtarbeitsverträge seien das Ergebnis privatrechtlicher Verhandlungen, während die kantonalen Mindestlöhne auf Volksentscheidungen basierten.
Deswegen war auch der bürgerlich dominierte Bundesrat dagegen, ist dem SRF zu entnehmen. Für Guy Parmelin sei es «nicht vorstellbar», dass der GAV «Vorrang vor einem demokratisch legitimierten kantonalen Gesetz haben kann».
Entsprechend unzufrieden mit dem Entscheid war auch die linke Ratsminderheit. SPler Cédric Wermuth fand, das sei «ein parlamentarischer Putsch der Chefs und der Bosse gegen die Lohnabhängigen in diesem Land».
Dem pflichtete auch Franziska Ryser von den Grünen bei: «Das ist ein Angriff auf die Verfassung.» Die Souveränität der Kantone würde dadurch komplett ausgehebelt.
Stimmen aus dem Pro-Lager versuchten die linken Ängste derweil etwas zu besänftigen. Ihr Hauptargument: Zu hohe Mindestlöhne führten längerfristig zu einem Stellenabbau. Die Furcht vor einer Senkung des Lohnniveaus erachtet Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy ebenfalls als unbegründet.
Tatsächlich hätte der Entscheid für Genf einen negativen Effekt auf das Lohnniveau, wie CH Media errechnet hat. Dort würden Coiffeure und Coiffeusen neu statt 24.32 Franken nur 21.62 auf die Stunde bekommen.
Als Nächstes geht das Geschäft in den Ständerat. Danach kommt auch dieses ziemlich sicher vors Volk – was nicht einer gewissen Ironie entbehrt.
ETH-Studie
Neutralität bröckelt und Frauen sollen ins Militär
Sorgst du dich um die Sicherheit der Schweiz? Wie hältst du es mit der Neutralität? Nato-Beitritt? Ja? Nein? Vielleicht? Wie wär es mit mehr Diversität in der Armee?
Solche und ähnliche Fragen wurden im Rahmen der Studie «Sicherheit 2025» an 2091 Schweizer:innen gestellt. Durchgeführt hat die Befragung die Militärakademie und das Center for Security Studies der ETH Zürich. Gestern wurden die Resultate vorgestellt. Der Blick, die Tamedia Zeitungen und die NZZ haben die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Neutralität: Die Neutralität bleibt in der Schweiz von zentraler Bedeutung. 87 Prozent der Bevölkerung wollen daran festhalten. Allerdings ist dieser Wert seit Beginn des Ukraine-Kriegs deutlich gesunken – damals waren es noch 97 Prozent. Zudem bezweifeln 53 Prozent, dass die bewaffnete Neutralität heute noch glaubwürdig verteidigt werden kann.
Aufrüstung der Armee: Die Zustimmung zu höheren Armeeausgaben ist im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gestiegen. Waren es früher 7 Prozent, sprechen sich mittlerweile 21 Prozent für eine Erhöhung der Ausgaben aus.
Nato-Annäherung: Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs befürwortet eine knappe Mehrheit eine stärkere Annäherung der Schweiz an die NATO – ein vollständiger Beitritt wird aber weiterhin abgelehnt. Diese Einschätzung stehe auch im Zusammenhang mit dem Vertrauen in die eigene Verteidigungsfähigkeit, aktuell nur bei 39 Prozent.
Entwicklungshilfe: Nur noch 52 Prozent möchten, dass die Schweiz hier mehr leisten sollte. So tief war der Wert seit 2003 nicht mehr.
Allgemeine Wehrpflicht: Eine breite Mehrheit von 67 Prozent befürwortet eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen. Die Zustimmung zu einer reinen Dienstpflicht für Männer ist dagegen deutlich gesunken – von 52 auf 40 Prozent. 63 Prozent finden zudem, dass auch Ausländer:innen zivile oder soziale Dienste leisten sollten. 66 Prozent unterstützen die Einführung eines Bürgerdienstes für alle.
Übrigens: Bei der Frage «Inwiefern geniessen folgende Institutionen Ihr Vertrauen? (1 =’kein Vertrauen’, 10=’volles Vertrauen’)» schloss die Wissenschaft am besten ab, dicht gefolgt von der Polizei. Die Armee rangierte auf Platz sieben, hinter dem Bundesrat und der öffentlichen Verwaltung.
Bis zu 80 Stellen fallen weg
20 Minuten stellt Printausgabe ein
20 Minuten wird nicht mehr vom Winde verweht. Per Ende 2025 existiert sie nur noch digital. (Foto: Unsplash)
Das vielbeschworene «Printsterben» scheint nun offiziell: Dass es mit 20 Minuten gerade die auflagenstärkste gedruckte Tageszeitung der Schweiz trifft, lässt aufhorchen.
«20 Minuten stärkt Digitalgeschäft», heisst es in einer eigenen Mitteilung.
Konkret sind folgende Veränderungen geplant:
Per Ende Jahr werden die Büros in Basel, Genf, Luzern und St. Gallen aufgelöst.
Die separat geführten Lokalredaktionen in der Deutsch- und Westschweiz werden zu einer nationalen Redaktion mit Standorten Lausanne, Bern und Zürich zusammengeschweisst.
Auch die Tageszeitung 20 minuti im Tessin soll dicht gemacht werden.
Regionale News sollen weiterhin durch ein «agiles Korrespondentennetz» abgedeckt werden.
Die fast schon ikonischen blauen Boxen werden aber vorerst nicht aus den Schweizer Städten verschwinden. Man plane dafür noch eine mögliche «Print-Innovation» mit neuem Erscheinungsrhythmus.
«Die Ära der Pendlerzeitungen geht zu Ende», schreibt CH Media.
«Genauso wenig sollte es überraschen, wenn weitere nationale Titel ihre Printausgaben einstellen werden», hört man auf dem SRF.
Ach ja, und bevor ich es vergesse: Voraussichtlich werden bis zu 80 Vollzeitstellen wegfallen, gibt 20 Minuten bekannt.
Wir merken uns: «Stärkung des Digitalgeschäfts» heisst auf Deutsch Stellenabbau im zweistelligen Bereich.
Zahl des Tages
0,8 Grad
In den letzten zehn Jahren stiegen die Permafrosttemperaturen in 10 Meter Tiefe teilweise über 0,8 Grad an. Alleine im letzten Jahr wurden neue Rekordwerte erreicht, wie das Schweizer Permafrostmessnetz in ihrem jüngsten Bericht festhält.
Unter Permafrost versteht man Erdmaterial (das heisst Gestein, Schutt, Boden und so weiter), das während mindestens zwei aufeinanderfolgenden Jahren unter null Grad bleibt. In der Schweiz liegt er auf etwa fünf Prozent der Landesfläche und ist typischerweise in kalten Schutthalden und Felswänden oberhalb von etwa 2500 Meter über Meer zu finden.
Die Aufweichung des Permafrosts durch die Klimaveränderung soll auch eine Ursache des Bergsturzes in Blatten gewesen sein.
Kurz-News
Nahostkonflikt · Die Schweiz zieht ihr Personal aus Teheran ab, schreibt CH Media. Am Dienstag hat rund die Hälfte der Belegschaft der Schweizer Botschaft die Stadt verlassen – und zwar auf dem Landweg. Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt steht eine Zunahme des Flugverkehrs über der Schweiz. Dies sei eine Folge der vielen Umleitungen der Verkehrsströme aufgrund des Krieges, heisst es im SRF.
Geldwäschereigesetz · Gestern hat der Ständerat einer Vorlage für ein neues Geldwäschereigesetz mit 34 zu 9 Stimmen zugesagt. Die zuständige Rechtskommission hatte die Vorlage jedoch derart abgespeckt, sodass weiterhin grosse Schlupflöcher erhalten blieben. Bundespräsidentin Keller-Sutter kritisierte deswegen die Vorlage scharf, berichtet das SRF. Passend dazu in den Tamedia Zeitungen: Gestern wurde ein Ex-Mitarbeiter der Genfer Privatbank Pictet wegen Geldwäscherei zu sechs Monaten Haft verurteilt.
Ablehnung der Erbschaftsteuer · Nationalrat und Ständerat lehnen die Juso-Initiative für eine nationale Besteuerung von Millionen-Erbschaften für den Klimaschutz ab. Gemäss der Initiative müssten Nachlässe von über 50 Millionen Franken mit 50 Prozent besteuert werden. Die Initiative kommt nun ohne Gegenvorschlag an die Urne. Darüber hat Watson berichtet.
Umfrage: Versorgungssicherheit an oberster Stelle · Eine aktuelle Umfrage des gfs.bern zeigt, dass für die Schweizer Bevölkerung bei Energiefragen die Versorgungssicherheit an oberster Stelle steht. Auch Klimaneutralität sei vielen wichtig. Erstmals seit Messbeginn möchte nun eine Mehrheit, dass über den Neubau von Kernkraftwerken wieder nachgedacht wird.
International
Nahostkonflikt · Trump forderte gestern in einem Statement die totale Kapitulation Irans. Ebenfalls behauptete er, genau zu wissen, wo sich Khamenei befinde. Mehrere US-Flugzeugträger sind zudem seit Tagen unterwegs in den Nahen Osten. In den Medien wird darüber spekuliert, ob sich bald amerikanische Streitkräfte in den Konflikt einmischen werden. Das berichtet der Guardian.
Wildcampen
🔧 Nützliches des Tages
Wildcampen ist in der Schweiz nicht grundsätzlich verboten, aber auch nicht grundsätzlich erlaubt. (Foto: Unsplash)
Es ist Sommer und der Berg ruft. Höchste Zeit, dein Zelt aus dem Keller zu ziehen.
Um im Freien zu übernachten, musst du nicht auf einen offiziellen Campingplatz gehen, denn Wildcamping ist in der Schweiz nicht generell verboten.
Aber aufgepasst!
In praktisch allen Kantonen und Gemeinden gibt es eigene Regeln, die es zu beachten gilt. Ansonsten droht eine Busse von mehreren hundert Franken.
Als Faustregel gilt: In den meisten Kantonen kannst du eine Nacht unter freiem Himmel schlafen – allerdings ohne Zelt.
Oberhalb der Baumgrenze entspannt sich die Lage zum Teil: Hier darfst du oft dein Zelt für eine Nacht aufstellen, falls keine expliziten Verbote vorhanden sind, beispielsweise Naturschutzgebiete, Nationalparks, Wildruhezonen oder Jagdbanngebiete. Auch ist es von Kanton zu Kanton anders geregelt.
Informiere dich daher auf jeden Fall im Vorfeld.
Zum Beispiel beim Beobachter. Der hat kürzlich eine Liste mit den Bestimmungen für die einzelnen Kantone aufgestellt.
🎲 Rätsel zum Schluss
Errate im 6iBrief Rätsel das gesuchte Wort in höchstens sechs Versuchen. Jeden Tag gibts ein neues Wort zu erraten.
Das Wochenthema: Politik
So funktioniert es:
Du gibst ein Wort ein.
Grün: Buchstabe ist richtig und am richtigen Ort.
Orange: Buchstabe ist im Wort, aber an der falschen Stelle.
Grau: Buchstabe kommt im Wort nicht vor.
Viel Spass beim Knobeln!
Frohes (Wild)campen!
Jonas