Guten Morgen {{vorname}}
Ab heute schreibe ich den 6iBrief aus Bangkok. Während du schläfst, werde ich in den kommenden drei Monaten mit Blick auf den Fluss Chao Phraya die wichtigsten Nachrichten aus der Schweiz aufbereiten. Klingt gut, oder?
Wir starten mit der dritten und letzten Woche der Herbstsession im Bundeshaus.
Schweiz · Nationalrat
Epische Debatte um Nachhaltigkeitsinitiative
Die sogenannte «Nachhaltigkeitsinitiative» war gestern das grosse Thema im Nationalrat. Zwei Dinge vorweg: Die SVP-Initiative hat nichts mit Klimaschutz zu tun und sie dürfte die längste Debatte werden, die im Bundeshaus je über eine Volksinitiative geführt worden ist.
Mit der Initiative möchte die SVP die Bevölkerung auf maximal zehn Millionen Menschen in der Schweiz begrenzen. Sollte die Grenze von 9,5 Millionen überschritten werden, müsste der Bundesrat das Asylrecht und den Familiennachzug einschränken.
Würde die Hürde von zehn Millionen Menschen überschritten, müsste der Bundesrat zwei Jahre danach das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU kündigen.
Die SVP ist selbstverständlich für die Initiative. Der Bundesrat lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Laut Echo der Zeit unterstützt eine Minderheit aus der Mitte rund um Gerhard Pfister einen Gegenvorschlag, der von der Forderung absieht, dass das Personenfreizügigkeitsabkommen gekündigt werden sollte.
«Wer diese Initiative unterstützt, will ein gefährliches Hochrisikoexperiment in unsicheren Zeiten.»
Die Mehrheit des Nationalrats lehnt aber sowohl die Initiative als auch den Gegenvorschlag deutlich ab.
Die Linke warnt vor einem dramatischen Fachkräftemangel. SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer betont, dass über ein Drittel der Beschäftigten im Gesundheitswesen aus dem Ausland stamme. Bis 2030 werden der Schweiz rund 400'000 Arbeitskräfte fehlen, weshalb das Land dringend auf Zuwanderung angewiesen sei. «Wer diese Initiative unterstützt, will ein gefährliches Hochrisikoexperiment in unsicheren Zeiten», so Meyer.
Die Debatte dauert an: Laute Tamedia-Zeitungen haben sich im Nationalrat 115 der 200 Parlamentsmitglieder in die Redner:innenliste für Donnerstag eingetragen.
Aufsichtsbehörde NDB
Kritik an Nachrichtendienst des Bundes

Bei Corona-Massnahmen-Gegner:innen sei der NDB zu übereifrig gewesen. (Foto: Unsplash/Markus Spiske)
Neue Untersuchungsberichte zum Nachrichtendienst des Bundes (NDB) kommen zum Schluss: Der NDB sei mit Corona-Massnahmen-Gegner:innen zu streng und mit gewaltbereiten Linksextremen zu lasch umgegangen.
Ein Aufsichtsbericht kritisiert, dass der NDB unrechtmässig Daten über die Gegner:innen von Corona-Massnahmen gespeichert hat. Obwohl sich der Verdacht auf Gewaltbereitschaft innert eines Jahres nicht erhärtete, löschte der NDB die Einträge nicht wie gesetzlich vorgeschrieben. Erst nach der Intervention der Aufsicht wurden die Daten entfernt, heisst es auf SRF.
Gleichzeitig wirft ein zweiter Bericht dem NDB vor, beim Umgang mit Linksextremismus zu zurückhaltend zu sein. Obwohl die Zahl gewaltsamer Vorfälle steigt und die Bedrohung als «erhöht» eingestuft wird, nutze der Nachrichtendienst nicht alle Mittel, die ihm zur Verfügung stehen. Laut NDB fehle Personal und die Zusammenarbeit mit den Kantonen habe sich verschlechtert.
Eine von mehreren Ursachen für die Probleme ist eine Reorganisation unter dem abtretenden NDB-Direktor Christian Dussey. Sie hat den Dienst teilweise gelähmt und Mitarbeitende frustriert. Dussey hat Anfang Jahr seinen Rücktritt angekündigt, sein Nachfolger Serge Bavaud übernimmt Anfang November.
Schweiz · Katholische Kirche
Zürcher Kirche gegen sexuellen Missbrauch

Auf der anderen Seite des Beichtstuhls: neues Präventionsangebot der katholischen Kirche. (Foto: Unsplash/Steffen Lemmerzahl)
Die katholische Kirche bietet für ihre Mitarbeitenden neu eine Sprechstunde für psychische und sexuelle Gesundheit. Das Angebot ist vorerst auf drei Jahre angelegt.
Auslöser für das Pilotprojekt war die 2023 erschienene Pilotstudie zur Geschichte des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Diese zeigte: Priester und Ordensangehörige haben in der Schweiz seit 1950 über 1000 Fälle von sexuellem Missbrauch begangen – die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein.
Bisherige Präventionsmassnahmen zielten vor allem auf den Schutz der Betroffenen. Neu ist der Fokus auf mögliche Täter:innen. Wer sich vom Angebot angesprochen fühlt, kann sich anonym und kostenlos in einem ersten Schritt per Mail oder Telefon für eine Sprechstunde melden.
Die Sprechstunden werden von einem vierköpfigen Team der Präventionsstelle Pädosexualität der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK) betreut. Die beteiligten Psychotherapeut:innen unterliegen gegenüber der Kirche der Schweigepflicht, verfügen jedoch über ein Melderecht: Wenn sie eine akute Gefährdung feststellen, dürfen sie die Staatsanwaltschaft informieren.
Die Kosten übernimmt die katholische Kirche des Kantons Zürich. Auf SRF 4 News lobt der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain die Zürcher «Pionierarbeit». Das Angebot sei ein «weiterer Baustein» in der Prävention von Missbrauch im kirchlichen Kontext.
Zitat des Tages
Viele Mitglieder im Nationalrat hatten ihren ganz persönlichen «Fredi-Moment»
Gestern nahm das Parlament emotional Abschied von Alfred Heer. Der 63-jährige Zürcher SVP-Nationalrat ist am Freitag überraschend gestorben. Er war im Kreis 4 in Zürich unterwegs, als er kurz vor Mitternacht einen medizinischen Notfall erlitt.
Abseits des Rats war Heer ein beliebter Zeitgenosse, schreibt der Tages-Anzeiger. Viele Mitglieder im Nationalrat hatten ihren ganz persönlichen «Fredi-Moment».
Vor allem Mauro Tuena sei der Schock anzusehen gewesen, der Heer am besten kannte. Die Anteilnahme mit Tuena reichte weit über die Parteigrenzen hinweg.
Kurz-News
Ständerat lehnt Halbierungsinitiative ab · Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat die Initiative zur Senkung der Radio- und TV-Abgabe auf 200 Franken ohne Gegenstimme abgelehnt. Der Bundesrat hat bereits beschlossen, die Haushaltsabgabe bis 2029 auf 300 Franken zu senken und die meisten Unternehmen zu befreien. Damit verliert die SRG in den nächsten Jahren rund 270 Millionen Franken. Im Frühling 2026 entscheidet das Stimmvolk über die Zukunft des Service public. Gehört im Echo der Zeit.
Eigenmietwert: Zürich führt Härtefallregelung ein · Das Zürcher Kantonsparlament hat eine Härtefallklausel beschlossen, um Senior:innen vor finanziellen Problemen durch den Eigenmietwert zu schützen. Betroffene mit tiefem Einkommen sollen bei hohen Steuerrechnungen Rabatte erhalten, damit sie ihr Eigenheim nicht verkaufen müssen. Ob die Regelung langfristig bleibt, hängt vom Ausgang der eidgenössischen Abstimmung zum Eigenmietwert ab, schreibt der Blick.
Ständerat lehnt Klimafonds ab · Die von SP und Grünen lancierte Klimafonds-Initiative ist im Ständerat klar gescheitert: Mit 34 zu 11 Stimmen lehnte die kleine Kammer das Volksbegehren ohne Gegenvorschlag ab. Die Initiative wollte 0,5 bis 1 Prozent des BIP – rund 3,9 bis 7,7 Milliarden Franken jährlich – in den Klimaschutz investieren. Laut Tages-Anzeiger hält der Bundesrat die bestehenden Programme für ausreichend.
International
Trump stuft Antifa als Terrororganisation ein · US-Präsident Donald Trump hat per Dekret Antifa zur «inländischen Terrororganisation» erklärt. Laut The Guardian ist der Anlass dafür die Tötung des rechtsextremen Charlie Kirk, obwohl kein Zusammenhang mit einer politischen Gesinnung des Täters belegt ist.
Als Kontrast: Nach Amtsantritt begnadigte Trump gewalttätige Mitglieder der rechtsextremen Proud Boys und Oath Keepers, die wegen der Attacke aufs US-Kapitol vom 6. Januar verurteilt worden waren. Deren Anführer Joe Biggs schrieb vergangene Woche auf X: «Wer ist bereit, auf ANTIFA-Jagd zu gehen? Ich kenne da ein paar Leute.»
Proteste für Gaza in Italien · In über 80 Städten Italiens kam es zu Streiks und Demonstrationen für ein Ende des Gaza-Kriegs. In Mailand versuchten Demonstrierende in den Hauptbahnhof einzudringen, es kam zu heftigen Zusammenstössen mit der Polizei, bei denen rund 60 Beamt:innen verletzt wurden, schreibt BBC. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni verurteilte die Gewalt scharf und sprach von «beschämenden Szenen».
Gleichzeitig hat Emmanuel Macron gestern die offizielle Anerkennung Palästinas verkündet. Laut The Guardian schlägt Macron eine UN-geführte Stabilisierungstruppe für Gaza vor. Zahlreiche Länder wie Grossbritannien, Kanada und Australien haben Palästina bereits anerkannt. Die Schweiz nicht.
📣 Erinnerung des Tages
Heute noch brieflich abstimmen
(Solltest du in der Schweiz nicht stimmberechtigt sein, lies unten weiter.)
Falls du wie ich zu jenen gehörst, die ihre Abstimmungsunterlagen gerne bis zum letzten Moment ungeöffnet unter einem Stapel Papier liegen lassen, dann ist dies eine freundliche Erinnerung: Heute ist der letzte Tag, um brieflich abzustimmen.
Und falls du noch unsicher bist, wie du entscheiden willst, empfehle ich dir folgende Lektüren:
Auf Tsüri.ch findest du alles zum Eigenmietwert. Im Artikel erklärt meine Kollegin Jenny Bargetzi, was die Vorlage genau beinhaltet, und wer aus welchen Gründen dafür oder dagegen ist.
Zur Abstimmung über die E-ID kann ich dir die Einordnung der Republik empfehlen. Adrienne Fichter – meiner Meinung nach die relevanteste Tech-Journalistin der Schweiz – empfiehlt ein klares «Jein».
Falls du nicht stimmberechtigt bist, kannst du bei diesem Online-Projekt teilnehmen. Die Umfrage will erheben, wie sich Ausländer:innen zu den Vorlagen positionieren würden, wenn sie denn dürften.
🎲 Rätsel zum Schluss
Errate im 6iBrief Rätsel das gesuchte Wort in höchstens sechs Versuchen. Jeden Tag gibts ein neues Wort zu erraten.
Das Wochenthema: Öffentlicher Verkehr
So funktioniert es:
Du gibst ein Wort ein.
Grün: Buchstabe ist richtig und am richtigen Ort.
Orange: Buchstabe ist im Wort, aber an der falschen Stelle.
Grau: Buchstabe kommt im Wort nicht vor.
Viel Spass beim Knobeln!
Bis dann
Yann